Freitag, 6. Dezember 2024
 
   
 


Fotos: Ludger Paffrath

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Museumsreif. Die Liege war Liebe auf den ersten Blick. Das Unikat stammt von der Ausstellung „Sieben Hügel“ im Martin-Gropius-Bau Berlin.




In der Küche geht es mit einem gedrechselten Tisch vom Flohmarkt eher rustikal zu




Hola. Der „Barcelona MR90“ aus dem Jahr 1929 basiert auf der Formgebung eines römischen Magistratsstuhls. In der Wohnhalle vor dem Kamin unter der frei tragenden Wand ist er dezent genug, um nicht dem Kunstwerk die Schau zu stehlen




Fundstücke. Vor der Bibliothek der aktuelle Lesestoff. Die Stühle sind Überbleibsel aus der DDR.




Seit 1994 lebt Erika Hoffmann in den oberen Stockwerken der Sophie-Gips-Höfe in Berlin. Das Ehepaar Hoffmann hat das denkmalgeschützte Ensemble mit einem umlaufenden Glaskubus behutsam modernisiert

 

 

 

 

 

Text Andreas Tölke 

 

Fotos Ludger Paffrath


Ganz oben.

 

Die Wohnung hat Stil und ist ein Zwitter aus Kunsthalle & Penthouse. Zu Besuch bei Erika Hoffmann in ihrem Home of Modern Art

 

 



Der 200 Quadratmeter große Raum wird dominiert von einem Werk von Matthew Ritchie (The Weight of the Sky, 2003/04). Vor dem Kamin der „Barcelona“-Sessel mit Fußteil von Mies van der Rohe (Hersteller: Knoll International) und das „Barcelona“-Daybed. Im Vordergrund: Stuhl „Tulip 151“ und Esszimmertisch von Eero Saarinen (1956, alles Knoll International)


 

Sie ist eine öffentliche Frau. Das mag der erste Gedanke sein, wenn Besucher Erika Hoffmann begegnen, denn sie erlaubt Fremden den Einblick in das Intimste, was moderne Menschen zu bieten haben: Die Berliner Kunstsammlerin lädt Interessierte in ihre Wohnung ein. „Geplant war das nicht“, sagt sie über ihr allsamstägliches Open House.

 

Wie es so weit kommen konnte, erklärt die Vorgeschichte: „Direkt nach der Wende wollten wir zusammen mit verschiedenen Sammlern vom amerikanischen Künstler Frank Stella ein Museum in Dresden bauen lassen.“ Daraus wurde nichts. Die Bürokratie tat ihr Teil dazu, namentlich der damalige Ministerpräsident Kurt Biedenkopf, der sich als außerordentlicher Bremser hervortat. Konsequenz: Die Sammlung Hoffmann - eine der größten Deutschlands - zog vom Rhein nicht an die Elbe, sondern an die Spree.

 

Das Ehepaar Erika und Rolf Hoffmann verkaufte sein Luxuslabel „Van Laack“-Hemden und widmete sich der neuen Mitte - quasi als zweite Wahl. Direkt neben den mittlerweile weltberühmten Hackeschen Höfen erstanden sie ein damals heruntergekommenes Ensemble, die Sophie-Gips-Höfe, zwischen Sophien- und Gipsstraße. Aus der ehemaligen Gerätefabrik wurde 1992 ein architektonisches Juwel, das, liebevoll restauriert, zwei Jahre später Medienmacher, Galerien und hippe Cafés in das Karree zog. Das Architekturbüro Becker Gewers Kühn & Kühn hatte besonders mit dem Dachausbau der Hoffmann'schen Wohnung Erstaunliches geleistet.

 

 



Eero Saarinen entwarf das Ensemble 1956, um „mit dem elenden Wirrwarr an Beinen aufzuhören“. Im Hoffmann'schen Esszimmer steht der 120 x 70 cm messende Tisch,
in der Wohnhalle der 199 x 121 cm „große Bruder“




Das verspielte Sofa in Chippendale-Optik ist ein Flohmarkt-Schnäppchen und Einzelstück. Im Hintergrund die Werke der Fotografin Nan Goldin

Trotz Denkmalschutz gelang ein außergewöhnlicher Aufbau, der ästhetisch nahtlos an die klassische Moderne anknüpft und den zeitgenössischen Exponaten genug Raum gibt. Auf mehr als 2.000 Quadratmetern, um genau zu sein. Auf zwei der drei oberen Etagen werden jährlich wechselnde Kunstwerke gezeigt.

 

„Für mich ist es immer wieder ein Erlebnis, die Werke in anderen räumlichen Kontexten zu sehen. Ich entdecke sie dann wieder neu“, erzählt Frau Hoffmann, die vor ihrem Wechsel in die Modewelt Kunsthistorikerin war. Die Faszination Kunst hat sie nie losgelassen. „Im Rheinland waren wir in den Siebzigern in den Kunstvereinen aktiv. Das war eine der wenigen Möglichkeiten, Zeitgenössisches zu sehen“, erzählt die Sammlerin.

 

Die Leidenschaft, sich mit Originalem und Anspruchsvollem zu umgeben, teilte Erika Hoffmann mit ihrem Mann Rolf. Und so waren schon früh die Begehrlichkeiten größer als politisch korrektes Verhalten: „Eigentlich durfte man in den Siebzigern ja keine Kunst besitzen oder erwerben wollen“, sagt sie. Das war verpönt. Damals war Beuys, den die Hoffmanns oft erlebten, der ideologische Zeremonienmeister und nicht käuflich.

 

„Uns war er später zu dogmatisch“, kommentiert Erika Hoffmann. Sie und ihr Mann leisteten sich den Luxus einer undogmatischen Sammlung: Schön ist, was gefällt. Und was den sehr ausgeprägten Ansprüchen genügt. Heute ist die Sammlung so etwas wie der Spiegel der Seele des Paares. Und wenn Erika Hoffmann über das Leben mit der Kunst spricht, spricht sie von einem „Wir“. Ihr Mann starb vor vier Jahren.

 



Auch im Esszimmer finden sich Eero Saarinens „Tulip“-Stühle. Die drehbaren Fiberglasschalen sind aus einem Guss, wie auch der Esstischfuß mit der
aufliegenden Marmorplatte (ebenfalls von Saarinen, alles Knoll International)

Die Entscheidung, ihre Sammlung - wenn auch begrenzt - zugänglich zu machen, haben beide getroffen. „Lieber so, als eine Schenkung oder Dauerleihgabe und sich dann einer Diskussion aussetzen müssen“, erläutert sie ihr Konzept beim Rundgang. Was sofort auffällt, ist das Museale, auch im sehr privaten Bereich wie dem Wohnzimmer oder dem Büro. Der gesamte dritte Stock ist einzig als Ausstellungsfläche genutzt.

 

Nur in einem Raum steht ein Sekretär, der aber auch ein Kunststück sein könnte, und zwei namenlose Siebziger-Jahre-Sofas. Lediglich noch ein Ensemble von Warren Platner (1964/66), bestehend aus einem Tisch und zwei Stühlen, belebt den Empfangsbereich im gleichen Stockwerk. „Wir haben vieles zurückgelassen, als wir nach Berlin kamen“, ist eine Erklärung. Die andere: „Kunst war uns immer wichtiger.“

 

Was so auch nur bedingt stimmt, wirft man einen Blick auf das vorhandene Mobiliar. Das Wenige ist exquisit: Von Hans Hollein stammt das Sofa „Mitzi“, von Eero Saarinen der Esstisch und die Stühle - natürlich die Originale von 1956. Im Wohnbereich ist es die Variante mit der Marmorplatte, im Esszimmer sind die identischen Stühle um den Hartplastiktisch drapiert. Selbst seltene Einzelstücke wie der „Wiggle Side Chair“ von Frank O. Gehry aus dem Jahr 1972 finden sich hier. Vor dem Kamin im Wohnzimmer stehen Sessel und Liege „Barcelona“ von Mies van der Rohe.

 

In der Küche findet sich um den gedrechselten Bauerntisch der Jahrhundertwende eine Auswahl von amerikanischen Shaker-Stühlen - die Message der weitläufigen Wohnung ist klar: Kunst geht vor.

 

Es gibt noch etwas in der mehrstöckigen Wohnung, was sogar den Werken von Wolfgang Tillmanns und Pippilotti Rist die Schau stiehlt: Je höher man steigt, desto beeindruckender ist der Blick über Berlin. Vor allem im Neubaubereich des vierten Stockwerks wirken die bodentiefen Fenster wie der Rahmen eines Kunstwerks. Des Kunstwerks Großstadt: zur einen Seite die neue Synagoge, zur anderen der Fernsehturm auf dem Alexanderplatz - und drumherum das Häusermeer. Vielleicht hat die Entscheidung, nach Berlin zu kommen, ja sogar den besseren Rahmen für die Sammlung geschaffen.