São Paulo ist die hässlichste, verschmutzteste, brutalste und chaotischste Stadt der Welt. Unglaublicherweise ist sie auch sensationell und strahlend, voller fantastischer Vitalität und Energie wie keine andere Stadt. Genau diese Mischung verleiht ihr einen einzigartigen, leidenschaftlichen Charakter.“ So beschreibt Architekt Marcio Kogan seine Heimatstadt, die 18-Millionen-Metropole São Paulo im Südosten Brasiliens.
Inmitten dieses bunten Treibens stellt das neueste Projekt des brasilianischen Designers, die Stadtvilla „Casa 6“, einen geschützten Ruhepol dar, der den Trubel des Großstadtalltags schell vergessen lässt. Hinter hohen Steinmauern verborgen, lebt im 890 Quadratmeter großen Luxusdomizil der Geist der Vergangenheit wieder auf. „Ich bin ein begeisterter Anhänger der brasilianischen Moderne, die in den 30er-Jahren ihren Anfang nahm. Architekten wie Lúcio Costa (Masterplan Brasília) oder Oscar Niemeyer (Regierungsviertel Brasília) schufen ein sensationelles Lebenswerk. In meinen Gebäuden greife ich auf bescheidene Weise diese magischen Momente wieder auf“, beschreibt der Gestalter seine von den alten Meistern der klassischen Moderne inspirierte Architektursprache, ein Kontrastprogramm zwischen den weichen Formen der 60er-Jahre und den klaren Linien der klassischen Moderne.
Der Bauherr der „Casa 6“ trat mit einem ganz speziellen Wunsch an den Architekten heran: eine große, überdachte Veranda. Kogan arrangierte daraufhin das ganze Gebäude L-förmig in Form zweier überlagernder Kuben rund um diesen multifunktionalen Terrassenbereich. Durch die weit auskragende Betonbox vor Wind, Regen und Sonne schützend, vereint er das soziale Leben der Familie jederzeit perfekt: So kann die Hausherrin in der Outdoorküche in Ruhe Essen zubereiten, während ihre Kinder im großen Pool, der sich entlang der Terrasse erstreckt, plantschen. Der riesige Esstisch bietet Platz für ein fröhliches Beisammensein mit vielen Gästen. Und auf den bequemen Fauteuils kann man gemütlich ein Glas Caipirinha genießen, während man den Blick über die zartgrün schimmernde Wasseroberfläche in den üppigen tropischen Garten schweifen lässt, der zudem für ein angenehmes Mikroklima sorgt.
Bei Schlechtwetter zieht sich die Familie einfach in den Innenraum zurück – in den lang gestreckten eingeschossigen Betonkubus, der sich rechtwinkelig zur Veranda erschließt. In einem offenen Raumplan fügen sich hier Küche, Vorraum und das Wohnzimmer mit riesigem Lounge- und Essbereich fließend aneinander. Auch hier führt der Architekt seine Open-air-Philosphie fort. Öffnet man die raumhohen Metallschiebewände zu beiden Seiten des Wohnsalons, verschmelzen Innen- und Außenraum zu einem riesigen, luftigen Lebensfreiraum.
Während der ebenerdige Betonkubus ganz dem Entertainment gewidmet ist, beherbergt die schwebende, zweigeschossige Box die Privaträume der Familie. Über der Terrasse reihen sich hier in einer Linie vier Schlafeinheiten für Gäste und Kinder aneinander. Jeder verfügt hier über sein eigenes kleines Reich: über einen Vorraum mit genügend Stauraum für Kleidung, ein eigenes Bad mit Wanne und ein großzügiges Schlafzimmer mit Computerarbeitsplatz. Als begehbare Bibliothek genutzt, lädt der breite Flurraum zum Schmökern in der Familiensammlung ein. Er führt zu den bewusst abgesonderten Räumlichkeiten der Eltern, die neben einem großen Sanitärbereich mit einem luxuriösen Schlafbereich plus Schrankraum ausgestattet sind.
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Zu einer Zeitreise ins Brasilien der 60er-Jahre lädt die Luxusvilla „Casa 6“ von Architekt Marcio Kogan ein: schlicht & asketisch wie die klassische Moderne, weich & skulptural wie das Design der Sixties. Eine Oase deR Ruhe inmitten des Großstadttrubels von São Paulo
Text
Astrid Höretzeder
Fotos
studio kogan, Romulo Fialdini pedro kok
Komplette Story: H.O.M.E. Oktober 2010 |