Noch nie hatte der Mensch so viele Freunde wie heute. Mit dem Aufkommen des Web 2.0 und der sogenannten Social Networks potenzierte sich die Anzahl der möglichen Bekanntschaften. Heute ist es leichter denn je, jemanden fürs Leben oder für ein paar Minuten angeregten Tastengeplauders zu finden: Man bastelt eine Seite bei Facebook, führt dort seine Interessen und wichtigsten privaten Daten (echt oder erfunden) an, stellt ein Foto dazu (ebenso) und klickt dann bei den vorgeschlagenen Personen, die man eventuell kennen könnte, auf „Freundschaftsanfrage stellen“. Und siehe da, ein paar Wochen später freut man sich schon über ein paar Tausend neuer Freunde, mit denen man via Laptop – wie etwa den neuen Lifestyle-Mini-Notebooks der „Vaio P“-Serie von Sony – oder mittlerweile auch Handy permanent kommunizieren kann. Immerhin hat etwa Facebook bereits mehr als 500 Millionen aktive User; da findet sich für jede(n) garantiert mehr als nur ein Gesprächspartner.
Dorftratsch + Konkurrenz Das alte Sprichwort, nach dem die Welt ein Dorf ist, hat sich durch soziale Netzwerke bewahrheitet. Da man dem weiblichen Geschlecht seit jeher nachsagt, mehr zu tratschen und zu plaudern als Männer, verwundert es nicht, dass Frauen auch in Social Networks mit weit mehr als 50 Prozent überproportional stark vertreten sind. Schließlich sind sie erwiesenermaßen kompromissbereiter, verständnisvoller und umgänglicher als das „starke Geschlecht“ – alles Eigenschaften, die für den Aufbau und die Pflege sozialer Beziehungen unumgänglich sind, ob off- oder online.
Sicher, frau kann sich auch heute noch der „typisch weiblichen“ Beschäftigung des Telefonierens hingeben – wobei das Internet auch hier dafür sorgt, dass stundenlange Gespräche billiger werden, zum Beispiel dank des Voice-over-IP-Diensts Skype. Wer einen LED-Fernseher der „Serie 8“ von Samsung besitzt, braucht nur auf die Fernbedienung zu tippen und ist schon mit der besten Freundin in den USA verbunden. Und zwar nicht nur akustisch, sondern auch via Videotelefon.
Das Spinnen sozialer Netze hat jedoch noch ganz andere Qualitäten – anscheinend typisch weibliche: Bei Facebook liegt der Frauenanteil bei 51 Prozent, was zu einem Großteil kostenlosen und nicht an Action und Kampf orientierten Browser-Spielen wie „Farmville“ oder „Café World“ zu verdanken sein dürfte. Der deutschsprachige RTL-Ableger Wer-kennt-wen verzeichnet gar 54,1 Prozent weibliche User, dicht gefolgt von Stayfriends (54 Prozent) und meinVZ (52,4 Prozent).
Aber auch beruflich nutzen Frauen Social Networks anders (und besser) als Männer. Eine Studie aus dem Jahr 2009 hat ergeben, dass weibliche User etwa das Business-Netz XING häufiger als Männer dazu verwenden, Informationen aus ihrem beruflichen Umfeld zu erhalten oder Stellenangebote wahrzunehmen. Auch das Konkurrenzdenken ist bei ihnen weniger stark ausgeprägt: 42 Prozent der Frauen haben bereits Bekannten einen Job vermittelt – im Gegensatz zu 37 Prozent bei den Männern. Und Communities für Frauen wie Femity (Business) und Bondea (allgemein) verzeichnen einen immer stärkeren Zulauf.
Die Große Schwester Vor mehr als sechs Jahrzehnten schrieb George Orwell seinen berühmten Roman „1984“, in dem er das Bild eines totalitären Überwachungsstaats – gelenkt vom „Großen Bruder“ – zeichnete. Die dystopische Vision vom gläsernen Menschen, der kein Privatleben hat und in jeder seiner Lebensäußerungen kontrolliert wird, könnte selbst heute noch wahr werden, wenn auch anders, als Orwell sich das vorgestellt hat: Die User sozialer Netzwerke geben ihre privaten Daten nämlich freiwillig her und verlieren alle Rechte daran. Wer in seiner wilden Zeit ein zweideutiges Bekenntnis oder ein pikantes Foto von sich ins Netz stellt, muss damit rechnen, dass ein paar Jahre später ein Personalchef oder Beamter genau diese Jugendsünde entdeckt – mit negativen Folgen, die bis zur Entlassung gehen können. Vor allem Facebook, das größte Web-2.0-Netzwerk mit 7,5 Millionen Deutschen und rund 600.000 österreichischen Mitgliedern, macht es seinen unzähligen Freunden sehr schwer, ihren Account wieder zu löschen. Noch dazu unterschreibt man – meist nichtsahnend – seitenlange Nutzungsbestimmungen, die dem Unternehmen alle Rechte an hochgeladenen User-Inhalten geben. Wenn jemand nun beispielsweise einen Text, ein Foto, einen Comic oder ein selbst gedrehtes Filmchen auf seine „Gesichtsbuch“-Seite stellt und das Werk den Gefallen irgendeiner Agentur findet, hat Facebook die Lizenzrechte daran und kassiert auch dafür. Der kreative User schaut durch die Finger.
Da heutzutage schon ein nettes YouTube-Filmchen zum lukrativen „Viral“-Massenphänomen werden kann, überlegen sich bereits viele Facebook-User, wie sie dem Netz entkommen können.
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Wahre Freunde hat man wenige. Und bisher fand man nach der Schulzeit oder den ersten Berufsjahren auch immer schwerer neue. In Zeiten von Facebook, Wer-kennt-wen und Twitter ist das alles kein Problem mehr – vor allem für Frauen, die in sozialen Netzwerken heute die Hauptrolle spielen
Text
Dragan Andjelkovic & Peter Hiess
Fotos
beigestellt
Komplette Story:
H.O.M.E. November 2010
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